Die von Neil Gershenfeld intitierte FabLab-Bewegung feiert in diesem Jahr bereits ihren zehnten Geburtstag und hat sich über die ganze Welt verbreitet, sodass über die Grundlagen nicht mehr viel geschrieben werden muss. Sinn und Zweck eines Fabrikationslabors ist in erster Linie, jedem technisch interessierten Menschen unabhängig von Herkunft, Bildungsstand und wirtschaftlicher Situation Zugang zu hochmodernen Produktionsverfahren zu ermöglichen, damit er/sie auf möglichst unkomplizierte Weise ein eigenes Technik-, Kunst- oder Designprojekt realisieren kann. Die in FabLabs mit Hilfe von fazinierenden High-Tech-Tools gebauten Prototypen zieren später Wohnzimmer, Büros, Gärten und Garagen, dienen mitunter aber auch als Grundlage für eine DIY-Unternehmensgründung.
Im deutschsprachigen Raum gibt es mittlerweile 11 FabLabs. Wir haben uns mit Michael Niqué von der noch ganz frischen Einrichtung in Nürnberg unterhalten.
Wie lange gibt es euer Lab jetzt, und wie lange hat es gedauert, die Werkstatt komplett einzurichten?
Wir haben die Räume zum Jahresbeginn 2012 angemietet und den Januar dann zum Renovieren gebraucht. Im Februar wurden zum ersten Mal die Pforten öffnen. In den Monaten darauf haben wir kontinuierlich die Arbeit an Ausstattung und Einrichtung fortgesetzt – weitere Maschinen bestellt und gebaut, Möbel organisiert und am Raumkonzept gefeilt. Mitte Juni konnten wir dann guten Gewissens sagen: Das Lab ist soweit fertig.
Wie viele Leute kommen so im Schnitt vorbei – und was sind das für Menschen?
An den offenen Tagen sind im Schnitt 15 – 30 Leute am Start. Es sind viele Designer und Leute aus technischen Berufen dabei, aber auch Schüler und Menschen, die beruflich etwas ganz anderes machen. Wirklich ein sehr gemischtes Publikum – und genau das ist ja auch das Spannende an der Sache!
Wie finanziert ihr euch? Die normalen Besucher zahlen ja lediglich die Materialkosten…
Außerhalb der Open-Lab-Zeiten arbeiten wir mit Industriepartnern zusammen, die hinter der Idee stehen und das Lab für sich nutzen. Dadurch können wir die Finanzierung stemmen. Unser erster Industriepartner ist evosoft, ein Softwarehaus aus Nürnberg, das das Lab seinen knapp 700 Mitarbeitern zur Verfügung stellen möchte.
Was ist die coolste Maschine in eurem Lab?
Da gehen die Meinungen etwas auseinander, aber die Nase vorne haben in jedem Fall der 3D-Drucker und der Lasercutter. Der 3D-Drucker, weil es einfach beeindruckend ist, wie dieses Ding aus dem Nichts 3-dimensionale Formen und Figuren erschafft. Der Lasercutter, weil es unglaublich leicht ist, damit zu arbeiten. Alles, was du am Computer zeichnen kannst, kann der Laser in Sekunden aus Holz, Acrylglas, Papier, Pappe und vielem mehr ausschneiden. Dabei ist er nicht viel komplizierter zu bedienen als ein Tintenstrahldrucker daheim.
Ein besonders witziger oder nützlicher Prototyp, der bei euch gebaut wurde?
Wir bauen grade an einem kleinen selbstbalancierenden Roboter, der ähnlich wie ein Segway auf zwei Rädern fährt und dann mit dem Handy per Bluetooth gesteuert werden kann. Vielleicht gibt’s dazu demnächst eine Challenge hier im Lab. Da könnten dann verschiedene Teams in einem vorgegebenen Zeitrahmen jeweils ihr eigenes Gerät bauen…
Fablabs sind ja letztlich ein großes Technikemanzipations- und Bildungsprojekt. Was waren hier bislang eure größten Erfolge?
Die leuchtenden Augen von Kids, die merken, was sie bei uns alles selbst machen können. Und Kommentare wie: „Wow, ich wusse ja gar nicht, dass man mit Computern noch viel coolere Sachen anstellen kann, als nur zu spielen.“
Eure Pläne für die Zukunft?
In nächster Zeit werden wir daran arbeiten, das Lab langfristig und nachhaltig betreiben zu können. Dazu gehört auch, weitere Finanzierungsmöglichkeiten zu finden, damit wir Personal im Lab anstellen und ein wochenfüllendes Programm auf die Beine stellen können. Wir wollen mittelfristig der Hotspot in Nürnberg werden, wenn es um Lernen und Kreativität im technischen Umfeld geht.
Laut Neil Gershenfeld ist das Prototyping heute da, wo der Computer zur Zeit des PDP war, also irgendwo zwischen Großrechner und PC. Auf die großindustrielle Forschungsabteilung folgte das FabLab – und in 20 Jahren hat dann jeder ein Minimaschinchen an seinem Tablet oder Netbook hängen, mit dem er von der Schachfigur bis zum autonomen Bot alles bauen kann?
So abenteuerlich sich das anhört: Genau an dieser Vision wird in vielen Forschungsinstituten tatsächlich gearbeitet. Und wenn man sich die kleinen Erfolge ansieht, die dabei entstehen, wie z.B. rudimentäre Batterien, Aktoren oder Logikbausteine, ist man durchaus versucht, daran zu glauben. Aber die Hürden auf dem Weg dorthin sind auch nicht zu unterschätzen. Eine der fundamentalen Schranken vieler heutiger Rapid-Prototyping-Technologien liegt z.B. in der Kombination von Werkstoffen mit unterschiedlichen Schmelzpunkten. Lassen wir uns also einfach überraschen, was da auf uns zukommt…
Noch eine technikkritische Frage zum Schluss: Teil der digitalen Revolution im FabLab-Kosmos sind auch Maschinen, die theoretisch zur Selbstreproduktion fähig sind. Ist das nicht ziemlich gruselig?
Solange zur Selbstreproduktion auch noch einige Stunden menschlicher Arbeit nötig sind, und nur bestimmte Teile der Maschinen automatisch vervielfältigt werden können, mach ich mir keine allzu großen Sorgen… ;-) Für unseren RepRap, der gerade ensteht, will ich aber trotzdem so einen Aufkleber: „Warning! Self replicating device!“
Lieber Michael, vielen Dank für das Gespräch.
Michael Niqué ist Manager des FabLab Nürnberg und seit vielen Jahren Teil der Open-Design- und Maker-Community. Als Wirtschaftsingenieur und ITler liegt ihm v.a. die Förderung von MINT-Nachwuchs am Herzen. Seine Interessensschwerpunkte Digitale Fabrikation und E-Commerce verbindet er u.a. bei amoonic.de, einer Website für individualisierbaren Echtschmuck.
Auch O’Reilly hat schon lange ein Herz für DIY-Ingenieure und -Designer:
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